MUSIK IM DIALOG
„TRÄNEN“
Lamento Project & Polynushka
Leidvolle Erfahrungen von Verlust, Scheitern und Unwiederbringlichkeit durch Trennung oder Tod eines geliebten Menschen, den Abschied von Idealen und Visionen, den Verlust von Heimat und Vertrautheit, jeder Mensch kennt sie, besonders in der aktuellen gesellschaftlichen Situation.
Musik ist eine Möglichkeit, der Trauer Ausdruck zu verleihen – ohne Worte. Sie kann den Trauerprozeß begleiten und emotionale Erleichterung schaffen, Verbundenheit herstellen und Trost spenden.
In meiner neuen musikalischen Kooperation zwischen LAMENTO PROJECT und POLYNUSHKA entwickeln wir in Berlin lebende Musiker aus Deutschland, der Ukraine, Russland, Polen, Österreich, Bulgarien, der Schweiz und Litauen ein Konzertprogramm um Trauermusik westlicher und östlicher Kulturkreise. Alte frühbarocke Lamenti des 17. Jahrhunderts, die unter dem Eindruck des 30-jährigen Krieges entstanden sind, verbunden sich auf stimmungsvolle Weise mit den traditionellen Trauergesängen aus der Ukraine und Russlands. Improvisationen schaffen die Brücke zwischen den musikalischen Welten und die vokalen und instrumentalen Klänge der Ensembles fügen sich zu einem künstlerisch-politischen Statement für Solidarität und Frieden.
Die neue Konzertreihe im Prenzlauer Berg,
in der ich gemeinsam mit Alexandra Lachmann und über 25 Berliner KünstlerInnen aus verschiedenen Nationen zehn vielfältige Konzertprogramme zusammengestellt habe, deren Bandbreite von Alter Musik über Klassik bis in die heutige Zeit reicht und die sich konzeptionell im Spannungsfeld zwischen Kulturen, Epochen, Religionen und Genres bewegen.
Im Herbst vergangenen Jahres, als wir dieses Format planten, machten die eingeschränkte Konzerttätigkeit und wirtschaftlichen Probleme den Musiker*innen Berlins zu schaffen. Es war an der Zeit, selbstbestimmt ins Handeln und kreative Gestalten zu kommen.
Wir wollten neue Räume und Möglichkeiten suchen, um musikalische Projekte mit anderen Künstler*innen zu realisieren und Livemusik im Kiez zu stärken.
Heute, viele Monate später und nach dreimaligem Verschieben, freuen wir uns, gemeinsam mit unserem Kooperationspartner, der Ev. Advent-Zachäus-Kirchengemeinde, die neue Konzertreihe „Musik im Dialog“ in der Adventkirche vorzustellen. Ein Ort, der eigentlich so nah liegt, aber doch von vielen im Prenzlauer Berg übersehen wird.
Im vergangenen Jahr haben wir erfahren müssen, wie schnell es gehen kann, dass sich Gräben und Distanzen zwischen Menschen und Kulturen wieder auftun. In dem dialogischen Prinzip, welches wir unserer Reihe zugrunde gelegt haben, äußert sich unser Bestreben, Begegnung zu schaffen und Verbindung herzustellen. Musik schafft durch gemeinsames Erleben emotionale Stabilität. Jeder Mensch liebt, trauert, denkt, glaubt und findet seinen Umgang mit der Geschichte. All diese Emotionen und Zustände sind universell und haben in jeder Zeit, Kultur, Religion und durch jeden einzelnen Menschen ihren einzigartigen Ausdruck gefunden.
Ob die Vielfalt von Psalmvertonungen von Sweelinck bis Bobby McFerrin in einem Konzertprogramm vereint werden, in der mystischen islamischen und christlichen Musik eine emotionale Verbindung gefunden wird oder ob eine Traversflöte mit Live Elektronik in die Atmosphäre während des Lockdowns versetzt, ob eine chinesische Sheng und eine Barockvioline zu einem Drachentanz tanzen oder mit der Gemeinde ein musikalisches Fest gefeiert wird – es geht stets um den Wunsch, dem Lebensgefühl der Distanznahme und Vereinzelung entgegenzuwirken.
Das Eröffnungskonzert findet am 29. September 2021 in der Adventkirche im Prenzlauer Berg statt, und ab Oktober gibt es dann jeden ersten Mittwoch im Monat um 19:30 eine Stunde Musik, in der Vielfalt und kulturellen Reichtum der Stadt erlebbar werden soll.
29. SEPTEMBER
Dialog zwischen den Kulturen
OPEN CHAMBER Berlin & Wu Wei
OSTWIND, WESTWIND
Im Eröffnungskonzert begegnen vier renommierte Berliner Musiker*innen der vorwiegend historischen Aufführungspraxis dem in China geborenen und heute in Berlin lebenden Sheng Virtuosen Wu Wei.
Ihr Repertoire umfasst sowohl frühbarocke europäische, als auch traditionelle chinesische Musik und man mag es kaum glauben, aber beide Stile teilen doch so viel, dass sich der Übergang dahin zwanglos bewerkstelligen lässt: Den hellen, klar konturierten Klang, Freude an Motorik und Ornamentik, ostinate Bewegungs- und Harmoniemodelle und natürlich die kommunikative Ebene jeder Form von Musik.
Italienische Musik des Stylus Phantasticus steht neben traditioneller Musik aus China, die farbenreich mit Sheng, Erhu und Bahu zum Klingen gebracht wird. Die durch Exotik fremder Klänge und Rhythmen inspirierte Improvisationen verbinden die beiden musikalischen Welten.
„…abwechslungsreich und überraschend: mal streng kontrapunktisch, jazzig angehaucht, improvisiert, diminuiert – ein Feuerwerk der Klänge“
Wu Wei – Sheng (Chin. Mundorgel), Erhu (Chin. Kniegeige)
Martin Ripper – Blockflöten, Bahu (Chin. Rohrblattflöte)
Catherine Aglibut – Barockvioline
Annette Rheinfurth – Violone
Christoph Sommer – Laute, Barockgitarre
6. OKTOBER
Dialog zwischen den Religionen
Vokalquintett Berlin
BEWAHRE MEINE SEELE
Im Oktoberkonzert steht das Buch der Psalmen der hebräischen Bibel (des Alten Testaments der Christen), eine der reichsten, sehr persönlichen und tiefgründigen Gedichtsammlungen der Menschheitsgeschichte, im Mittelpunkt des Programmes, das vom Berliner A- cappella -Ensemble „Vokalquintett Berlin“ dargeboten wird. “Bewahre meine Seele“ vereint einige der schönsten Psalmvertonungen und widmet sich auf abwechslungsreiche Weise den Texten der großen spirituellen Tradition des Judentums, Christentums und des Islam. Dramatisch klagend bis freudvoll entschlossen Gott lobpreisende Werke bringt das fünfstimmige Ensemble auf Deutsch, Latein, Englisch, Französisch, Arabisch und Hebräisch zu Gehör.
Kompositionen von J.P. Sweelinck, J.H.Schein und J.Eckard stehen neben einfühlsamen Klängen von B.Mc Ferrin, F. Mendelssohn-Bartholdy sowie teils triumphal anmutender Tonsprache der israelischen Komponisten T.Avni und A.Harlap.
Alexandra Lachmann – Sopran
Anne Bretschneider – Sopran
Georg Bochow – Altus
Martin Netter – Tenor
Manuel Nickert – Bass
3. NOVEMBER
Dialoge zwischen Alter und Neuer Musik
Lamento Project
ZWISCHEN HIMMEL UND ERDE
Der Ausdruck von Klage hat in jeder musikalischen Tradition einen wichtigen Platz, in Zeiten der Pandemie erhält sie eine neue Brisanz.
Die Musiker*innen des LAMENTO PROJECT, welche in verschiedenen Genres beheimatet sind, verbinden die nach dem 30-jährigen Kriegs entstandenen frühbarocken Lamenti und Trauermusiken mit eigenen Kompositionen von Claudio Puntin des Ausdrucks von Trauer, menschlicher Einsamkeit und Erlösung in unsere Zeit.
Der körperlich erfahrbare Ensembleklang der außergewöhnlichen Instrumentenkombination lässt keine stilistische Zuordnung zu, was die Universalität der Musik nur unterstreicht.
Improvisationen schaffen die Brücke zwischen den Stilen und schaffen eine erstaunliche Intimität und Nähe, in der sich Zeit aufzulösen scheint, in der ‚Alte Musik‘ neu, ‚Neue Musik‘ alt klingt, und jegliche Zuordnung an Bedeutung verliert.
Musik, die meditative Intensität und die Kraft der Transzendenz in sich trägt.
Klänge, die Himmel und Erde verbinden.
Claudio Puntin – Klarinette, Komposition
Catherine Aglibut – Violine
Ulrike Becker – Violone
Christian Gerber – Bandoneon
1. DEZEMBER
Dialog zwischen Mutter und Kind
SCHLAF MEIN SEELCHEN
Zur Einstimmung auf die Advents- und Weihnachtszeit möchten wir zu einem Konzertprogramm einladen, in der Liebe und Intimität zwischen Mutter und Kind, eine archetypische Emotion, so alt wie die Menschheit selbst, im Mittelpunkt steht.
Katalanische, französische, englische, deutsche und polnische Lieder mit landestypischer Bildersprache und Symbolik erklingen a-cappella, in Korrespondenz mit improvisierten perkussiven Elementen von Handpan oder Tamburin, in Arrangements für Gitarre und Stimme oder im Dialog zwischen Geige und Gitarre – Musik in unterschiedlichen Muttersprachen und musikalischen Stilen eint die Freude über die Geburt Christi und die damit verbundene Hoffnung auf eine bessere Welt.
Alexandra Lachmann – Sopran
Catherine Aglibut – Violine
Elke Jahn – Gitarre
Michael Metzler – Percussionist, Geräuschezauberer
5.JANUAR
Im Dialog zwischen akustisch und digital
BACH KLINGT NACH
In diesem Konzert stehen J.S.Bachs Sonaten für Flöte im Mittelpunkt. Durch Techniken wie Live-Sampling der Musik während der Performance entsteht aus Bekanntem jedoch etwas was völlig Neues: Das Aufeinandertreffen von akustischen Instrumenten und Elektronik kreiert eine einzigartige Klanglandschaft, meditativ, dann wieder zerrissen, nostalgisch und doch stets neu.
Sie schwebt nicht im luftleeren Raum, sondern ist wie jede Musik direkt und indirekt mit gesellschaftlichen Entwicklungen verknüpft. So symbolisiert das Sampling der einzelnen Musiker die Isolation, in der sich jeder Künstler während des Lockdowns befand.
Dem in Israel geborene Berliner Flötist Roy Amotz ist es mit seinem Ensemble „Music and beyond“ ein Anliegen, dem Publikum neue Rezeptionserfahrungen ohne vorgefertigte Erwartungshaltungen zu ermöglichen. Gemeinsam mit seinen musikalischen Partnern, die sich mit viel Erfahrung in Komposition und Improvisation in diesem Feld bewegen, macht er den speziell für diese Konzertreihe konzipierten Abend zum besonderen Klangerlebnis.
Roy Amotz – Traversflöte
Doron Segal – Live Elektronik
Avinoam Shalev – Cembalo, Orgel
2. FEBRUAR
Dialog zwischen Vernunft und Leidenschaft
PUR TI MIRO
OPER!!!
Was könnte sich zur Darstellung des dialogischen Prinzips besser eignen als in einem Duettabend!
Alexandra Lachmann und Georg Bochow begegnen sich auf den Brettern der Opernbühne .
In Werken von Händel, Hasse und Monteverdi singen die Sopranistin und der Altus in allen Gefühlslagen, mal werbend, mal streitend oder in höchster liebevoller Verzückung, wie in Monteverdis „Pur ti miro“. Aber auch allein wird gekämpft, beschimpft und angeklagt, so in Vivaldis Arie „Sposa son disprezzata“. Selbst die kleine Form des englischen Ayre, dem elisabethanischen Zeitalter entstammend, mit Musik von John Dowland, findet seinen Platz. Das Werben, höchster Genuss, Streit, Wehklagen, traurige Erkenntnis und Entfremdung sind in der zarten, von der Laute begleiteten Gattung ebenso zuhause wie in der großen Opernwelt.
Alexandra Lachmann – Sopran
Georg Bochow – Altus
Magnus Andersson – Laute
Arno Schneider – Orgel, Cembalo
2. MÄRZ
Dialoge zwischen Mann und Frau
HERZZEIT
Ingeborg Bachmann – Paul Celan. Eine der bekanntesten Liebesbeziehungen des 20. Jahrhunderts, und doch eine Geschichte der Unmöglichkeit des Zusammenkommens.
Der im Jahre 2009 herausgegebene Briefwechsel zwischen den Dichtern zeichnet die Tragik dieser beinahe 20 Jahre währenden Beziehung: ihre Anziehung, die gegenseitigen Verletzungen, das Schweigen, das Ringen um Liebe und Freundschaft, aber auch die politische Ebene der Auseinandersetzungen.
Für diesen Abend wurde eine Auswahl von Briefen getroffen, die die Dimension all dessen zu umreißen versucht. Werke Erik Saties und Lieder Fanny Hensels, Musik von Béla Bartók, Frédéric Chopin und Astor Piazzolla verbinden und rahmen die zutiefst musikalische Lyrik beider Autoren.
Oboe d’amore und Harfe sind dabei zwei Instrumente, die jedes für sich, aber auch im Zusammenklang, auf sehr verschiedene Art Zartheit und weiche Farben und dennoch die Möglichkeit zur klaren Kontur vereint.
Antje Thierbach – Oboe d‘amore
Anna Steinkogler – Harfe
Elettra de Salvo – Sprecherin
6.APRIL
Dialog zwischen Orient und Okzident
MYSTERIO
In der Passionszeit möchten wir sie zu einem ungewöhnlichen Dialogkonzert einladen, in dem sich christliche und islamische mystische Instrumentalmusik begegnen. Ignaz Franz Bibers Kreuzigungssonate, voll von christlicher Symbolik, erklingt neben kultischer muslimischer Tasavvuf-Musik. Mit Respekt vor jeder Musiktradition bewegen sich die Musiker jedoch auch spielerisch und assoziativ zwischen den musikalischen Welten. Die Klänge fließen ineinander und improvisatorische Momente schaffen einen Raum, in dem eine neue musikalische Begegnung entstehen kann.
Es erklingen Werke von Heinrich Ignaz Franz Biber, Andrea Falconieri, Tarquino Merula, Béla Bartók und Osmanische Tasavvuf-Musik.
Catherine Aglibut – Barockvioline
Ömer Kaan Özdag – Kanun (türkische Kastenzither)
Attila Wiegand – Ney (orientalische Längsflöte), Tombak (hölzerne Bechertrommel)
Christoph Sommer – Laute, Barockgitarre
4.MAI
Dialog zwischen Individuum und Gesellschaft
REVOLUTION
Revolution und Krieg, wie in Frankreich, Deutschland, Chile, Russland, betrachtet aus verschiedenen Blickwinkeln, stehen im Mittelpunkt des Abends. Im Dialog von gesprochenem und gesungenem Wort lassen wir Autoren aus Ferne und Nähe, aus Vergangenheit und Gegenwart zu Wort kommen wie Pablo Neruda, Che Guevara, Erich Mühsam, Stefan Zweig, Heiner Müller, Gerolf Pannach oder Günther Kotte .
Der einzelne Mensch steht dabei im Blickpunkt der Betrachtung. Wie verhält er sich in der Massenbewegung einer Revolution? Ist gesellschaftspolitischer Dialog nur noch über Waffen möglich? Was zählt der einzelne Mensch?
Lieder von Gilbert Becaut, Wolf Biermann, Sergio Ortega, Ernesto Cordero, Hanns Eisler, Jean Baptiste Clément oder Violetta Parra zeigen, was ihn bewegt.
Die Lieder der Revolution sind Massenlieder. Eines der bekanntesten davon: „El pueblo unido jamas será vencido.“- „Das vereinte Volk wird niemals besiegt werden.“, soll als Aufruf zum entschlossenen solidarischen Kampf verstanden sein. Aber wer sucht, findet auch hier Melodien und Texte, die seine Ängste, Hoffnungen und das Leid, das über die Menschen kommen kann, widerspiegeln.
Alexandra Lachmann – Sopran
Elke Jahn – Gitarre
Uli Hoch – Lesung
1. JUNI
Dialog zwischen Musikern und Gemeinde
SINGT, JUBILIERT!
Das Abschlußkonzert der Konzertreihe ist als musikalisches Fest mit der Gemeinde konzipiert. Doppelchörige Motetten, innige Soloinstrumentalstücke und schlichte weltliche Lieder erzählen von Gottes Gnade und von Fülle und Herrlichkeit in der Welt. Dafür wird der gesamte sechseckige Raum der Adventkirche mit Klängen ausgelotet.
Der Chor der Ev. Advent- Zachäus-Kirchengemeinde unter der Leitung von Isabel Pauer, das Instrumentalensemble ARIS & AULIS sowie Vokalsolisten gestalten ein Programm mit Motetten, Kantaten, Instrumentalmusiken von u.a. Michael Praetorius, Heinrich Schütz, Johann Pachelbel.
Chor der Ev. Advent-Zachäus-Kirchengemeinde Berlin
Instrumentalensemble ARIS & AULIS, Solisten
Leitung: Isabel Pauer
Die Konzertreihe „Musik im Dialog“ wird gefördert durch die Senatsverwaltung für Kultur und Europa.
Veranstaltungsort: Evangelische Adventkirche in Prenzlauer Berg, Danziger Straße 201-203 10407 Berlin
Wann: An jedem ersten Mittwoch im Monat vom 06.10.2021 bis 01.06.2022 immer um 19.30 Uhr. Das Eröffnungskonzert findet am 29.09.2021 statt.
Es gelten die 3G Regeln, die üblichen Abstands-und Hygieneregeln, Maskenpflicht bei Eintritt, am Platz kann sie abgenommen werden.
Abendkasse: Direkt vor jedem Konzert ab 18.30 Uhr, Eintritt: 10€ (Barzahlung)
Erreichbarkeit der Adventkirche: Tram M10 – Paul-Heyse-Straße, Bus 200 – Danziger Straße/Kniprodestraße.