400 Jahre Jakob Hintze

Portrait of Jacob Hintze (1622-1702) , 1695. Private Collection. Artist Bodenehr, Moritz (1665-1749). (Photo by Fine Art Images/Heritage Images via Getty Images)

„Es muss eine musikalisch hohe Zeit damals in Berlin gewesen sein, als an der ersten Pfarrkirche drei Männer vom Range Crügers, Gerhards und Hintzes zusammenwirkten. Nie wieder in glücklicheren Zeiten hat die Sonne der Berliner Musikkultur so hell gestrahlt, wie an dem Morgen, da sie aus der Nacht des Dreißigjährigen Krieges aufging.“

Curt Sachs

Warum Hintze?

Warum könnte es überhaupt von Interesse sein, sich musikalischen Werken unbekannter Meister zuzuwenden in Anbetracht der Fülle von großartigen Komponisten?

Betrachten wir Musik als Landkarte, als Stadtplan. Verlassen wir als Besucher nicht auch mal gerne die großen prächtigen Boulevards, die bedeutenden Gebäude und berühmten Plätze, um uns in den kleinen Gassen zu verlieren, wo die Bewohner ihre Wäsche aufhängen und uns Essensduft um die Nase weht?

Wir vergleichen Türknäufe, Friseure, Ornamente auf Kacheln oder die Gesprächskultur und entwickeln ein Gefühl für die Mentalität der Bewohner, ihren Stil oder ihre Gewohnheiten.

Die kleineren Gassen in der Musik zu betreten erfordert das Eintauchen in einen bestimmten geschichtlichen Kontext. Wir erweitern unser Verständnis für den Geschmack der Zeit durch das Wissen um politische Ereignisse, daraus resultierende Lebensumstände, Erforschung musikalischer Einflüsse auf die Musiker während ihrer üblichen Wanderschaften sowie durch Vergleiche von Kompositionsstilen und nationalen Schulen.

Mit diesem Wissen im Hintergrund, viel Erfahrung im Gepäck und ehrlicher Begeisterung für diese unbekannte Berliner Musik von Jakob Hintze freuen wir uns dieses festliche Jubiläum musikalisch zu begehen.

Im Zentrum des Programms stehen die drei geistlichen Konzerte Jakob Hintzes, die erst vor kurzem von Marcellus Jany in der Stadtbibliothek Zürich wiederentdeckt wurden. Meine intensive Auseinandersetzung mit den Werken beförderte den Wunsch, diese Musik anläßlich seines 400jährigen Jubiläums einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen.

Dies kann ich dank der Einladung des Berliner Stadtmuseums und der Förderung des  Senats für Kultur und Europa mit meinem Ensemble OPEN CHAMBER Berlin und den Gesangsolisten Georg Poplutz (Tenor), Simone Schwark (Sopran) und Felix Schwandke (Bass) an einem historisch adäquaten Ort in Berlin verwirklichen. In der Nikolaikirche, der einstigen „ersten Pfarrkirche“, könnte die Musik Hintzes auch damals erklungen sein. Johann Crüger, der dort von 1622-1662 als Kantor tätig war, schätzte Hintze als einen der bedeutendsten Musiker der Zeit.

Hintze selbst schreibt in einer Zuschrift, in welcher er sich über die Musik als Gabe Gottes im Allgemeinen und über die Eignung der Instrumentalmusik zu dessen Lob im Besonderen äußert, dass er „zu seiner Zeit, als lernbegieriger Jüngling die Natur der theoretischen Musik, soweit sie zur Composition Anleitung giebet, untersuchen wollen […] und nun mehr in solchen Schulen alt geworden sei; Als habe ich dasjenige, was ich darinnen gelernt und begriffen, zur Ehre Gottes kund und offenbar werden lassen wollen.“

So erscheint es sinnvoll, sich auf eine Spurensuche nach möglichen Prägungen und Einflüssen auf seinen Kompositionsstil zu begeben. Nach eingehenden Recherchen präsentieren wir eine vielfältige Auswahl an Werken von Komponisten, denen Hintze auf seinen Bildungsreisen begegnet ist oder die ihn geprägt haben: Heinrich Schütz, Crato Büthner, Johann Theile, Heinrich Albert und Johann Crüger.

Ein Programm, welches Jakob Hintze in den Mittelpunkt stellt, darf auch seine Tätigkeit als Stadtpfeifer nicht außer Acht lassen.

So möchten wir sein Jubiläum zum Anlass nehmen, das zumeist vernachlässigte Wirken der Stadtmusiker als eine Quelle des bürgerlichen Musiklebens zu würdigen. Sie ist neben der Musik in den Kirchen bis ins 19.Jahrhundert hinein die einzige Möglichkeit für das „einfache Volk“, Musik zu seiner Erbauung und Freude zu erleben.

So findet der Ausklang dieses Festkonzerts vor der Kirche statt, inmitten von Alt- Berlin, wie die Gegend einmal hieß. Das Bläserensemble „Brasso profundi“ (3 Posaunen und Zink) repräsentiert die Musik dieser bodenständigen, handwerklich organisierten Musikerzunft.

Simone Schwark – Sopran
Georg Poplutz – Tenor
Felix Schwandke – Bass      

Ensemble Open Chamber Berlin
Catherine Aglibut, Elisabeth Wiesbauer – Violine
Annette Rheinfurth, Juliane Laake, Ulrike Becker – Viola da gamba
Christoph Sommer- Laute
Arno Schneider – Orgel

Brasso profondo
Louise Oakes, Altposaune
Heide Klinkhammer, Tenorposaune
Bernd Hüske, Bassposaune

Berliner Stadtmuseum Nikolaikirche,
4. September 2022, 17.00

Tickets 15 € | 10 € (ermäßigt)
erhältlich online im Ticketshop vom Stadtmuseum
https://tickets.stadtmuseum.de/
oder an der Kasse im Museum Nikolaikirche

Kirche zum Guten Hirten
U Friedrich Wilhelm Platz
Bundesallee 76 a 12161 Berlin
3. September 2022, 19.00

Eintritt frei.

Die Konzerte werden gefördert von der Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Europa.